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Lindy Hop ist eine afroamerikanische Kunstform: er entstand aus dieser Kultur und Community in den 20er und 30er Jahren im Stadtteil Harlem in New York, in der Zeit der großen Depression in den USA.

Wandbild „Planet Harlem“ [2013] von Paul Deo, Ecke 126th, Malcolm X Blvd in Harlem. Das Foto entstand im Mai 2024 auf unserer New York Reise.

Zum Swingtanz gehören außer dem Lindy Hop auch die vielen Solo Jazz-Steps der 20er bis 40er Jahre, der Charleston, der Blues und der Tap-Dance, die Übergänge sind fließend. Viele Bewegungen und Schritte waren durchgängig Bestandteil afroamerikanischer Tanzkultur und finden sich heute im Streetdance wieder.

„Headspin“ und „Moonwalk“ zum Beispiel sind keine Erfindung aus den 80er Jahren, sondern finden sich bereits auf Filmmaterial der 30er Jahre.

Durch die massenhafte Abwanderung von Afroamerikaner:innen aus den Südstaaten in Richtung Norden entstand im Bezirk Harlem in New York das Zentrum für afroamerikanische Kultur: Die „Harlem Renaissance“ (ca. 1919-1934) begann zu florieren. Es war „eine Art geistiger Befreiung“ (Alan LeRoy Locke). In den verschiedenen Kunstformen der Harlem Renaissance spielen afrikanische Überlieferungen, afroamerikanische Traditionen, sowie Gospel und Jazz eine große Rolle. Harlem war das Viertel der Afroamerikaner:innen. Es war IHR Viertel und dies gab trotz aller Schwierigkeiten Hoffnung auf Freiheit und Stolz auf die eigene Herkunft.

Clubs und Theater in Harlem / Uptown wurden ein Anziehungspunkt für Weiße. Absurderweise durften die Afroamerikaner:innen häufig die Shows und Aufführungen nicht sehen, weil die berühmtesten Klubs, wie zum Beispiel der „Cotton Club“, wo Duke Ellington spielte, Zutritt nur weißen Personen gestatteten.

Night Club Map of Harlem, gezeichnet 1932 von Elmer Simms Campbell (1906-1971)

Anders war es im Savoy Ballroom, der 1926 eröffnet wurde: Er wurde das „community center“ für die Afroamerikaner:innen, stand aber jedem offen. Er war der erste Tanzsaal, in dem sich People of Color und weiße Menschen zum Tanzen treffen konnten. Der Savoy Ballroom war der wichtigste Ort für die Entstehung des Lindy Hop zusammen mit der Swingmusik der Big Bands.

Norma Miller and Frankie Manning über den Savoy Ballroom, die Wiege des Lindy Hop, des ersten Swingtanzes aus Harlem, New York:

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Der Savoy Ballroom befand sich in der Lenox Avenue, heute auch Malcolm X Boulevard genannt. 1958 wurde er abgerissen: heute steht ein Wohnhaus auf dem Gelände und eine Gedenktafel erinnert an den Savoy:

Die Fotos entstanden auf unserer New York Reise im Mai 2024.

Leider gibt es (soweit uns bekannt) keine „Social Dance“ Aufnahmen aus dem Savoy Ballroom aus den 30er Jahren, sondern allein Showaufnahmen. In diesem Clip ist aber eine sehr kurze Social Dance Sequenz mit Frankie Manning zu sehen:

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Die Zeiten der großen Depression in den USA waren hart und die Menschen brauchten den Tanz als Ausgleich: Bereits vorher in der „Jazzära“ der 1920er entwickelten sich viele Modetänze (Shimmy, Black Bottom, Charleston…), die meisten als Paartänze und fast alle ursprünglich aus der afroamerikanischen Kultur.

Zusammen mit der Musik entstand aus diesen Tänzen der Lindy Hop.

Als wichtigster Name der ersten Generation von Lindy Hop Tänzer:innen gilt „Shorty George“ George Snowden: Er fügte dem geschlossen getanzten Partner Charleston den „Breakaway“ bei. Aus diesem ergab sich die typische offene Position beim Lindy Hop, bei der sich die Tänzer:innen nur an einer Hand fassen: Diese Position gab beiden Tanzpartner:innen die Möglichkeit für eigene Improvisationen. Mit dieser Position gab Lindy Hop dem Paartanz Freiheit.

Um den Ursprung des Namens „Lindy Hop“ ranken sich im Wesentlichen zwei Geschichten:
Die eine besagt, dass Shorty George Snowden während eines Tanzmarathons auf die Frage eines Journalisten, was er da eigentlich tanze, einfach auf die aktuelle Zeitungsschlagzeile nach der Atlantiküberquerung per Flugzeug von Charles Lindbergh zurückgriff: „Lindy hops the Atlantic“. Zeitzeuge Frank Manning stützt diese Version.

Eine andere Version berichtet, Lindy Hop sei ursprünglich nur „Hop“ genannt worden. Der Name „Lindy“ sei erst 1927 im Savoy Ballroom dem „Hop“ hinzugefügt worden – angeblich zum Gedenken an Lindberghs Flug über den Atlantik.

Lindy Hop ist ein „social dance“, das heißt, er wurde und wird nicht in ein starres, einzuhaltendes Reglement gepresst, sondern war und ist lebendig und konnte sich daher verändern und mit der Musik entwickeln.

Als die Swingmusik die breite weiße Bevölkerung erreichte, wurde dies von konservativen Kreisen als Bedrohung angesehen, denn die Swingkultur stand für Freiheit, Offenheit und Lebenslust.

Dies erklärt auch, warum die „Swings“, die Jugendlichen, die während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland Swingmusik hörten, als eine Bedrohung vom Nazi-Regime wahrgenommen wurde:

Wer den Swing in sich hat, kann nicht mehr im Gleichschritt marschieren.

– Jazzmusiker Heinz Jakob „Coco“ Schumann, 1924-2018

Als dann mit Benny Goodman Swingmusik auch für das breite weiße Publikum zugänglich wurde, wurde ebenfalls der Swingtanz weltweit populär, allerdings unter dem Namen Jitterbug (=Zitterkäfer).
Jive, Rock ’n‘ Roll und Boogie lassen sich alle auf den Lindy Hop zurückführen, erreichten allerdings nicht mehr seine Ausdruckskraft.

Dass wir heute Lindy Hop tanzen, verdanken wir den Tänzer:innen der ersten Stunde und den nachfolgenden Generationen. Für uns ist es selbstverständlich, die Erinnerung an sie lebendig zu halten und auf die Geschichte des Lindy Hop zu verweisen, z.B. indem wir in unseren Kursen Videos und Fotos von ihnen zeigen und den historischen Kontext erläutern.

Swingtalk mit DJ Wuthe, Norma Miller und Swingin' Swanee 2012 in Hamburg, veranstaltet gemeinsam mit der New Swing Generation.

Einige der Schöpfer:innen des Lindy Hop haben wir bei internationalen Swingtanzfestivals in ihrer Rolle als Trainer:innen und in Talks erlebt: Frankie Manning, Norma Miller, Sonny Allen, Sugar Sullivan, Barbara Billups, Clyde Wilder und Dawn Hampton. Für diese inspirierenden Momente sind wir sehr dankbar.

Frankie Manning (1914-2009) war der Tänzer, der den Lindy Hop in den 30er Jahren sehr geprägt hat und seit den 80er Jahren viel auf internationalen Swingfestivals präsent war. Dadurch waren bis zu seinem Tod besonders seine Erinnerungen an die 30er Jahre des Lindy Hop und seine Inspiration ein wichtiger Teil der internationalen Swingtanzcommunity. Frankie Manning hat als Jugendlicher im Alhambra Ballroom getanzt – bis er alt genug war, um im Savoy Ballroom zu tanzen. Den Alhambra Ballroom gibt es noch und er ist wieder in Betrieb: Dort fanden z.B. 2023 und 2024 die International Lindy Hop Championships statt:

Der Alhambra Ballroom, 2116 Adam Clayton Powell Jr Blvd, Harlem, New York: Das Foto entstand auf unserer New York Reise 2024.

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Die bekannteste Showgruppe in den 30er Jahren waren die „Whiteys Lindy Hoppers“: Junge Tänzer:innen aus dem Savoy Ballroom, die mit ihren Shows international auf Tournee waren. Die populärste Filmszene mit Tänzer:innen der „Whiteys Lindy Hoppers“ ist wohl die aus dem Film „Hellzapoppin‘‘ von 1941.

Die Tanzszene in Hellzapoppin‘ ist vor dem rassistisch geprägten historischen Hintergrund zu sehen: Die Tänzer:innen sind als Köchinnen und Köche, Dienstmädchen, Butler oder Kellner, Chauffeure, Handwerker oder Arbeiter gekleidet. In den Vereinigten Staaten der 1940er Jahre waren das die Jobs, die Afroamerikaner:innen bekommen konnten, und damit die Rollen, in der weiße Amerikaner:innen gewohnt waren, sie zu sehen. Außerdem stand die Filmszene in keinem notwendigen Zusammenhang zur Erzählung des Films: People of Color, die in Filmen auftraten oder sprachen, waren für bestimmte weiße Zuschauer:innen, insbesondere im amerikanischen Süden, immer noch umstritten oder sogar skandalös. Daher wurden diese Szenen so gedreht, dass sie in bestimmten Filmtheatern rausgeschnitten und weggelassen werden konnten.

Tänzerisch ist die Szene herausragend und inspiriert die Lindy Hop Community weltweit:

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Wenn Du mehr über die Tänzer:innen der ersten Stunde erfahren möchtest, empfehlen wir die Seite der Frankie Manning Foundation:

www.frankiemanningfoundation.org/archives-of-early-lindy-hop

Es gibt einige international tätige Organisationen, die sich für das Sichtbarmachen und die Würdigung der afroamerikanischen Wurzeln des Lindy Hop, des Swingtanzens sowie für einen angemessenen, antirassistischen Umgang damit in der heutigen Zeit einsetzen. Wenn du dich dafür interessierst, empfehlen wir dir folgende Seiten:

Frankie Manning Foundation

www.frankiemanningfoundation.org

Die Frankie Manning Foundation setzt sich für eine Fortführung des Lindy Hop im Geiste von Frankie Manning ein. Sie setzt z.B. Bildungsprogramme an Schulen um.

Black Lindy Hoppers Fund

Der Black Lindy Hoppers Fund fördert gezielt Schwarze Akteur:innen der Lindy Hop Community. Dazu gehören u.a. Tänzer:innen, Musiker:innen und Community-Gründer:innen.

www.blacklindyhoppersfund.org

Collectives Voices For Change

Collectives Voices For Change bietet (Online)-Seminare zur Auseinandersetzung über ethnische Ungleichheit und kulturelle Aneignung in der Jazz- und Swing-Community.

www.collectivevoicesforchange.org

Next Generation Fund and Norma Miller Elders Fund

Das Next Generation Project unterstützt gezielt junge, schwarze Tänzer:innen, die einen aktiven Part in ihrer Community übernehmen.

www.herrang.com/2024/funding#funds

Der Norma Miller Elder Fund ist eine besondere Initiative, die das Wohlergehen der älteren Tänzerinnen und Tänzer unterstützt – derjenigen, die ihr Leben der Bewahrung und Weitergabe des Lindy Hop und des Swing gewidmet haben.

www.herrang.com/2025/funding#norma_miller_fund

KZ-Gedenkstätte Moringen

Einen Blick in die Hamburger Geschichte der „Swings“ bietet die Seite der KZ-Gedenkstätte Moringen und erinnert an Günter Discher (1943-2012), einer der Hamburger „Swings“:

www.gedenkstaette-moringen.de/ort-geschichte/jugend-kz/guenter-discher